Text
Der Platz, an dem ich lese erschien im Spectrum der Tageszeitung Die Presse vom 19. März 2016.
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Autor
Alois Hotschnig schreibt Romane, Erzählungen, Hörspiele und Stücke.
Seine Bücher erscheinen im Verlag Kiepenheuer & Witsch (bzw. in der Taschenbuchausgabe im Haymon Verlag und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Auswahl: Aus (1989), Eine Art Glück (1990), Leonardos Hände (1992), Ludwigs Zimmer (2000), Die Kinder beruhigte das nicht (2006)
Zuletzt erschien der Erzählband Im Sitzen läuft es sich besser davon (2009), von dem eine dramatisierte Fassung 2016 am Schauspielhaus Salzburg uraufgeführt wurde.
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Typografie und Gestaltung
Von: Paulus Dreibholz
Gesendet: Montag, 4. September 2017, 16:02
An: Alois Hotschnig, Toledo i Dertschei
Betreff: Typo-Passage_Text und Info zu Text und Autor
Sehr geehrter Herr Hotschnig, liebe Eva,
nach mehreren Wochen Ruhe kommt nun der Sturm. Anbei ein erster Entwurf. Es handelt sich bei dem PDF um die 4 Poster für die Ausstellung. Das Gesamtposter habe ich noch nicht behandelt.
Hintergrund: Mein Ansatz war ein selbstreflexiver, in typografischer und schriftgestalterischer Hinsicht. Ausgangspunkt hierfür war der Text, in welchem der Protagonist auch von sich selbst erzählt.
In Kürze: Die Schrift ist die Neue Haas Unica, welche das Ergebnis einer 1977 in Auftrag gegebenen Überarbeitung von Helvetica ist. Zwar wurde der damalige Auftrag aufgrund von Insolvenz der Auftraggeberin nicht beendet, aber 2012 dann unter Monotype doch. Da Helvetica durch ihre Popularität schon mit starken Selbstreferenzen aufgeladen ist, schien mir die Wahl einer versuchten Neu(er)findung der Helvetica als Neue Haas Unica gut zu passen, zumal Letztere auch „menschlichere“ Züge als die Vorlage zeigt. Weiters wirkt die Neue Haas Unica in ihrer Form zurückhaltend und scheint die Aufmerksamkeit auf den Inhalt zu lenken. Dies wird durch die typografische Anordnung jedoch hinterfragt. Es kommt beim Sehen und Lesen zu einer ständigen Veränderung der Aufnahme zwischen Bild und Schrift, Poster und Text, Form und Inhalt, Intimität und Öffentlichkeit, und dennoch werden nur wenige Parameter der Typografie verändert. (Der zuletzt erwähnte Gegensatz schien mir im Wort „Dorfplatz“ wunderbar eingefangen zu sein.)
Ich hoffe, der Vorschlag stößt auf Interesse, und freue mich auf Feedback.
Mit lieben Grüßen,
Paulus Dreibholz
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Von: Alois Hotschnig
Gesendet: Dienstag, 5. September 2017, 12:41
An: Toledo i Dertschei | Kopie: Paulus Dreibholz
Betreff: Typo-Passage_Text und Info zu Text und Autor
Sehr geehrter Herr Dreibholz,
ich danke Ihnen für den Sturm, den Sie nun auch in meine Richtung hin entfacht haben, und den ich als ein im besten Sinne reinigendes Gewitter empfinde.
Um genau diese „ständige Veränderung der Aufnahme zwischen Bild und Schrift, (…), Form und Inhalt, Intimität und Öffentlichkeit“, von der Sie sprechen, geht es mir nicht nur in diesem Text, sondern in meinem Schreiben überhaupt, um das Anbieten von Möglichkeiten der Wahrnehmung und der dabei ständig und eben immer wieder aufs Neue nötig werdenden Justierung und Nach-Justierung und in allem der Vergewisserung dessen, was sein könnte und ist, durch Irritationen erzähl-technischer, inhaltlicher Art, wie Sie sie eben im optischen Bereich anzubieten versuchen, vorausgesetzt, dass ich Sie hoffentlich in Ihrem Sinne verstanden habe. Und um den dabei entstehenden Kontakt mit dem (lesenden) Betrachter geht es, um die Interaktion mit ihm.
In dem Ort „O“ im Wort „Dorfplatz“, wie Sie ihn gestaltet haben, wird diese Ambivalenz tatsächlich sichtbar, als ein Ort, in den man hinabstürzt wie in einen Abgrund und der sich zugleich auftut als eine Arena der Möglichkeiten.
Ich danke Ihnen für Ihre Überlegungen und hoffe, Sie können mit den meinen etwas anfangen, in Vorfreude darauf, wieder von Ihnen zu hören.
Mit lieben Grüßen,
Alois Hotschnig
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Von: Paulus Dreibholz
Gesendet: Dienstag, 5. September 2017, 15:13
An: Alois Hotschnig | Kopie: Toledo i Dertschei
Betreff: Typo-Passage_Text und Info zu Text und Autor
Sehr geehrter Herr Hotschnig,
ich freue mich sehr über die verblüffend ähnliche und dennoch inspirierende Interpretation des Textes und der Grafik. Ich verstehe meinen Entwurf genau so, wie Sie ihn ausführen, und den Text ebenso. Verblüffend, da mein Entwurf doch zuerst eine Härte an den Tag legt, welche sich erst bei genauerer Beobachtung und Investition seiner selbst als wesentlich menschlicher offenbart.
Allerdings drängt sich mir nun die Frage nach Verbesser- und Veränderungsnotwendigkeit auf: genauer gesagt, ob diese besteht?
Mit lieben Grüßen nach Sri Lanka (und in den 7. Bezirk),
Paulus Dreibholz
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Von: Toledo i Dertschei
Gesendet: Dienstag, 5. September 2017, 16:06
An: Paulus Dreibholz | Kopie: Alois Hotschnig
Betreff: Typo-Passage_Text und Info zu Text und Autor
Wir finden den Entwurf sehr klar und spannend! Das Wort „Dorfplatz“ groß in den Raum des MQ zu stellen gefällt uns inhaltlich sehr gut.
Eine Frage: Wir hatten als Termin für die Eröffnung Dienstag, den 3. Oktober, vorgeschlagen. Wäre es möglich, die Eröffnung auf Mittwoch, den 4., zu verschieben? Und wäre 18:30 eine gute Zeit für alle? Oder gibt es einen anderen Vorschlag? Wir müssen dem Q21 bald die Daten schicken, damit man den Termin im Monatsprogramm ankündigen kann. Außerdem machen wir auch eine Aussendung per Mail. Können wir ev. auch das Plakat mit dem O als „Illustration“ weiterleiten?
Zu den Terminen:
Das gedruckte und gefaltete A2-Plakat sollte spätestens am Montag, 25. September, in Druck. Davor würden wir gerne alle Plakate von unserer Lektorin lesen lassen. Ist es möglich, den Entwurf für die A2-Plakate in der Woche vom 18. September zu bekommen? Dann hätten wir noch diese Woche für Korrekturen etc.
Die Plakate für die Vitrine lassen wir immer bei speedprint als Schwarz-Weiß-Laser-Plandruck produzieren. Das geht relativ schnell …
Wir freuen uns schon sehr auf ein Treffen. Mit lieben Grüßen in die Welt!
Eva Dertschei
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Von: Alois Hotschnig
Gesendet: Mittwoch, 6. September 2017, 06:38
An: Paulus Dreibholz, Toledo i Dertschei
Betreff: Typo-Passage_Text und Info zu Text und Autor
Ja, Ihr mir von vornherein so verwandter oder doch immerhin „vertrauter“ Zugang zu meinem Text und damit unsere gedankliche Nähe hat auch mich verblüfft, für eine allererste Begegnung und ohne vorherigen Austausch finde ich das schon erstaunlich, und dem schönen Anlass entsprechend freue ich mich auch darüber. Als einen kurzen Beleg dafür, dass ich meine Bemerkung über unsere gedankliche „Ähnlichkeit“ nicht eben so leichthin gemacht habe, lege ich diesen Zeilen einige Überlegungen bei, die vor einigen Jahren im Zusammenhang mit dem eigenen Schreiben entstanden sind, ein paar Sätze nur, die Sie vielleicht interessieren könnten.
Was Ihre Frage nach einer „Verbesser- oder Veränderungsnotwendigkeit“ angeht, so verstehe ich die nur allzu gut, da ich mir das Schreiben nicht anders denken kann denn als eine ununterbrochene Veränderung und Überschreibung dessen, was ist. Eine Entscheidung darüber allerdings muss Ihre Entscheidung sein. Den Weg dorthin will ich nicht vorschnell irritieren durch eine (bereits geäußerte) Zustimmung, die zwar voll und ganz die meine, aber eben vielleicht noch nicht die Ihre ist.
Ich bin und bleibe gespannt.
Herzlich,
Alois Hotschnig
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Von: Paulus Dreibholz
Gesendet: 11. September 2017, 15:04
An: Alois Hotschnig | Kopie: Toledo i Dertschei
Betreff: Typo-Passage_Text und Info zu Text und Autor
Sehr geehrter Herr Hotschnig,
von Ihrem E-Mail an Eva Dertschei erinnert und motiviert, darf ich Ihnen mitteilen, dass ich an den Plakaten nichts mehr ändern will. Dies aus zwei Gründen:
1. Veränderungen der „kühlen“ Schrift haben zu vordergründig gestaltungsorientierten Assoziationen geführt (im Sinne von: „Das sieht ja gut aus! Total modern!“, oder im Sinne von: „Eine Serifenschrift ganz groß? Schöne Schrift!“). In beiden Fällen kommt es aber zu einer oberflächlichen Behandlung durch den Leser, welche mir nicht zielführend erscheint, denn der Reflexion des Lesers auf sich selbst und seine Wahrnehmung wird nicht mehr genug Platz geboten. Der Leser sieht, liest und vergisst.
2. Meine Versuche, auf die Rahmenbedingungen einzugehen, also sowohl die Plakate im Museumsquartier als Teil eines Programmes und als ein harmonisches Ganzes zu behandeln, oder auch nur den Seriencharakter zu betonen, sind gescheitert. Alles Zusätzliche wird genau als das entlarvt: zu- und nicht grundsätzlich. Schon beim letzten Plakat, jenem des „O“, kämpfe ich mit der Wichtigkeit der Form des Buchstabens – welcher teils Rahmen, teils Form und teils Symbol bildet – gegenüber der Sprache, dem eigentlichen Existenzgrund der Typografie, aber ich akzeptiere diesen Kampf als meinen.
Ich hoffe, ich enttäusche Sie nicht zu sehr mit diesem eher kurz gehaltenen einseitigen Prozess, denn ein grafisches Wieder- oder Überschreiben findet nun – trotz Versuchen – tatsächlich nicht statt, außer – natürlich – Sie konnten noch konkrete Missstände identifizieren. Diese werde ich noch gerne behandeln.
Mit lieben Grüßen nach Sri Lanka,
Paulus Dreibholz
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Von: Alois Hotschnig
Gesendet: 11. September 2017, 17:42
An: Toledo i Dertschei | Kopie: Paulus Dreibholz
Betreff: Präsentations-Termin 3. oder 4. Oktober
Liebe Eva Dertschei,
dann freue ich mich auf den 4. Oktober. – Danke für die rasche Antwort. Auf die Plakate freue ich mich ganz besonders, aus den schon genannten Gründen, an denen auch nichts zu verändern ist.
Mit herzlichen Grüßen an Sie und Herrn Dreibholz,
Alois Hotschnig